Der defizitäre Blick

Das Problem: Wenn Kinder auffallen

Ein Kind ist unruhig, träumt, stört, verweigert oder zieht sich zurück. Die automatische Reaktion des Systems: "Was stimmt nicht?" Es folgt die Diagnose-Kaskade: Gespräch, Förderplan, Überweisung, Diagnose (ADHS, Bindungsstörung, Autismus). Was kaum je passiert: Die Frage "Was kann dieses Kind besonders gut?"


Warum dominiert der Defizitblick?

  • Das medizinische Modell: Auffälliges Verhalten = krankes Kind
  • Ökonomie des Defizits: Diagnosen bringen Ressourcen, Hochbegabung nicht
  • Ausbildung: Pädagogen lernen Störungen erkennen, nicht Potenziale
  • Verfügbarkeit: ADHS-Diagnose dauert Wochen und ist kostenlos, Begabungsdiagnostik dauert Monate und kostet 300-800€

Die fatale Überlappung

Dieselben Verhaltensweisen, unterschiedliche Ursachen:

  • Unruhe = ADHS oder Unterforderung?
  • Tagträumen = Konzentrationsstörung oder komplexes Denken?
  • Stören = Verhaltensstörung oder Langeweile?
  • Perfektionismus = Angststörung oder hoher Anspruch?


Die Folgen falscher Diagnosen

  • Selbstbild: "Ich bin gestört"
  • Entwicklung: Verpasste Chancen, Underachievement
  • Stigmatisierung: Auf die "Störung" reduziert
  • Medikation: Dämpfung von Kreativität und Persönlichkeit


Die Alternative: Ressourcenorientierung

Statt "Was stimmt nicht?" fragen wir: "Was braucht dieses Kind?"

  • Stärken sehen
  • Kontext beachten
  • Bedürfnisse erkennen
  • Potenziale entdecken


Der Appell

An Eltern: Vertraut eurer Wahrnehmung. An Lehrkräfte: Schaut genauer hin. An Diagnostiker: Prüft beide Hypothesen. An das System: Hört auf zu pathologisieren.


Die zentrale Frage: Wenn ein Kind auffällt - fragen wir nicht nur "Was ist kaputt?", sondern auch "Was ist besonders?"

Denn manchmal ist das, was wir als Störung sehen, der Anfang von etwas Außergewöhnlichem.